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Aufhebungsvertrag – Gebot des fairen Verhandelns

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Sabine Reich

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Das BAG hat jetzt entschieden, dass allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer das Angebot für einen Aufhebungsvertrag nur sofort annehmen kann, keinen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns darstellt.

Mit seiner Entscheidung vom 07.02.2019 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals die Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages „wegen unfairen Verhandeln“ des Arbeitgebers bejaht (siehe Artikel vom 07.02.2019). Doch was genau ist mit „unfairem Verhandeln“ gemeint?

In dem damaligen Fall hatten Führungskräfte des Arbeitgebers den kranken Arbeitnehmer unangekündigt zu Hause besucht, um ihn zur Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag zu bewegen. Das BAG hat anlässlich dieser Ausnahmesituation eine allgemeine Nebenpflicht formuliert, das „Gebot des fairen Verhandelns“.

Ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Handeln sollte dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber besonders unangenehme Rahmenbedingungen zur Verhandlung schaffe, die den Fluchtinstinkt des Arbeitnehmers wecke oder die Verhandlungen im Rahmen eines unangekündigten Besuches bei einem erkrankten Arbeitnehmer unter Ausnutzung seiner krankheitsbedingten Schwäche oder seiner schlechten Sprachkenntnisse stattfänden. Allgemein sollte keine psychische Drucksituation vorliegen dürfen, die eine freiwillige und eigenständige Entscheidung des Arbeitnehmers verhindern könnte.

Dies war ein willkommener Anlass für manche Instanzengerichte, Aufhebungsverträge ohne Inhaltskontrolle der Vereinbarung an angeblich unfairem Handeln des Arbeitgebers scheitern zu lassen. Das BAG hatte in seiner Entscheidung von 2019 versäumt, das Gebot des fairen Verhandelns inhaltlich konkreter zu fassen. Dies hat es nun mit seiner neuen Entscheidung vom 24.02.2022 – 6 AZR 333/21nachgeholt:

Die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers sei nicht dadurch verletzt worden, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet habe und der Arbeitnehmer über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste. Das ist nicht der Ausnahmefall, der einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns darstellt, da der Arbeitnehmer das Angebot des Aufhebungsvertrages ablehnen könne.

Entscheidend ist, dass das BAG auch die weiteren Gesamtumstände wie

  • keine Vorankündigung des Gesprächs
  • Anwesenheit eines Rechtsanwalts des Arbeitgebers
  • kurze Bedenkzeit (10 Minuten)
  • keine Möglichkeit zur Einholung von Rechtsrat
  • berechtigte Androhung der fristlosen Kündigung und Strafanzeige

nicht als Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns angesehen hatte.

grosshandel-bw begrüßt diese Entscheidung des BAG.

Fazit: Eine Verletzung des Gebots ist nur im Ausnahmefall anzunehmen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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