Aktuelle BGH-Entscheidung zum Arbeitsplatzbezug – Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitnehmern betroffen
Das Mitbestimmungsgesetz macht die Errichtung und Größe eines Aufsichtsrates Schwellenwerte von der Belegschaftsgröße abhängig. Bei der Frage, wie Leiharbeitnehmer bei diesen Schwellenwerten zu berücksichtigen sind, entschied der Bundesgerichtshof, dass diese Beurteilung arbeitsplatzbezogen und nicht personenbezogen zu erfolgen habe. Maßgeblich sei danach, wie viele Arbeitsplätze das Unternehmen während eines Jahres über die Dauer von mehr als sechs Monaten mit Leiharbeitnehmern besetzt seien, unabhängig davon, wie viele Leiharbeitnehmer auf diesen vorgehaltenen Arbeitsplätzen eingesetzt wurden. Es sei die Anzahl der betreffenden Arbeitsplätze bei der Bestimmung des Schwellenwertes mitzuzählen.
Ein Unternehmen beschäftigte zum überwiegenden Teil fest angestellte Arbeitnehmer und daneben im Umfang von etwa einem Drittel der Belegschaft Zeitarbeitnehmer, deren Anzahl in Abhängigkeit von der Auftragslage schwankte. Die Zahl der festangestellten Arbeitnehmer und der Zeitarbeitnehmer mit einer tatsächlichen oder prognostizierten Beschäftigungsdauer von mehr als sechs Monaten betrug an den Stichtagen 28. Februar 2017 und 19. Mai 2017 ebenso wie im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 im Durchschnitt insgesamt nie mehr als 1.878 Beschäftigte. Die Zahl der fest angestellten Arbeitnehmer und sämtlicher Zeitarbeitnehmer, d. h. auch solcher mit Beschäftigungsdauer von weniger als sechs Monaten, lag hingegen an beiden Stichtagen und im angegebenen Zeitraum im Durchschnitt jeweils über 2.000 Beschäftigten.
Im Wege einer Feststellungsklage wurde beantragt festzustellen, dass bei den Antragsgegnerinnen ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu bilden sei.
Der BGH hat entschieden, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG vorausgesetzte Einsatzdauer von mehr als sechs Monaten arbeitsplatz- und nicht arbeitnehmerbezogen zu verstehen ist. Abzustellen sei daher nicht auf die Dauer des Einsatzes der einzelnen Zeitarbeitnehmer, sondern darauf, wie viele Arbeitsplätze in einem Unternehmen regelmäßig über die Dauer von sechs Monaten hinaus mit – auch wechselnden – Zeitarbeitnehmern besetzt sind. Der BGH wog die unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur zur Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜB ab. Es kam zu dem Ergebnis des Arbeitsplatzbezugs.
Knüpfe § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG nur an die individuelle Einsatzdauer des Zeitarbeitnehmers an und sei somit arbeitnehmerbezogen, käme es in der Praxis zu weniger Unternehmen die mitbestimmt seien. Mitzuzählen seien daher nur die Zeitarbeitnehmer, deren persönliche Einsatzdauer in dem entleihenden Unternehmen tatsächlich oder nach der konkreten Planung voraussichtlich sechs Monate übersteige, so die eine Literaturmeinung.
Der BGH kam schließlich zu der Auffassung, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG keinen Aufschluss darüber gäbe, wonach die Mindesteinsatzdauer zu bestimmen sei. Der Begriff der „Einsatzdauer” sei als solcher neutral und könne sich sowohl auf den Einsatz einer bestimmten Person als auch auf die Besetzung von Arbeitsplätzen beziehen. Für eine personenbezogene Betrachtung lasse sich anführen, dass die Vorschrift im Übrigen von der Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern und nicht von mit Zeitarbeitnehmern besetzten Arbeitsplätzen spricht. Andererseits stellt § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG nur auf „die”, nicht aber auf „die jeweilige” Einsatzdauer ab. Die Gesetzesmaterialien enthielten keine nähere Begründung zu § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG.
Für eine arbeitsplatzbezogene Auslegung spräche, dass § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG eine Regelung zur Berücksichtigung der Zeitarbeitnehmer im Rahmen des Anwendungsschwellenwerts von § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG treffe, dem seinerseits eine arbeitsplatzbezogene Betrachtung zugrunde läge.
Die vom BGH getroffene Entscheidung führt dazu, dass mehr Unternehmen der Mitbestimmung unterliegen.
Die vollständige Entscheidung des Beschlusses des BGH finden Mitglieder von grosshandel-bw nachfolgend oder im Downloadbereich.