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Covid-19 versus Arbeitsschutz

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Arabel Münch

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Die Corona-Pandemie führt regelmäßig zu einem Spannungsverhältnis zwischen Arbeitsschutz und dem Lohnrisiko. Was dürfen Arbeitnehmer und worauf sollten Arbeitgeber besonders achten?

Arbeitgeber sind aufgrund der arbeitsvertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten gehalten, ihre Arbeitnehmer soweit vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, wie es die Natur der Arbeitsleistung zulässt. Dabei müssen Arbeitgeber auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen, §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 ArbSchG. Zu berücksichtigen hat der Arbeitgeber während der Corona-Pandemie insbesondere den Stand der Arbeitsmedizin sowie der Hygiene. Diese Anforderungen werden durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln konkretisiert. Diese Pflicht greift insbesondere während der noch andauernden Corona-Pandemie.

Gleichzeitig berufen sich zahlreiche Arbeitnehmer darauf, Angehörige einer Risikogruppe zu sein. Zum Teil legen sie ihre Arbeitsleistung nieder und begründen dies mit der Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung aufgrund der andauernden Gefährdungslage. Viele Arbeitgeber fragen sich dann: Darf der Arbeitnehmer das? Und wenn ja: erhält der Arbeitnehmer trotz fehlender Arbeitsleistung sein Entgelt?

 

Ausgangspunkt der Lösung zu diesen Fragen ist der Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Wenn dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unmöglich bzw. unzumutbar ist, müsste nach dem im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Grundsatz kein Lohn gezahlt werden. Jedoch gibt es eine Reihe von Ausnahmen, die dazu führen können, dass der Arbeitgeber zur Lohnzahlung verpflichtet ist, obwohl der Arbeitnehmer keine Gegenleistung erbracht hat. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Arbeitgeber weit überwiegend für den Wegfall der Arbeitsleistung verantwortlich ist oder der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Auch im Falle einer staatlich angeordneten Quarantäne kann es unter Umständen dazu kommen, dass der Arbeitgeber den Lohn weiterhin schuldet.

Doch wie wirkt sich all dies nun auf die Corona-Pandemie-Lage aus? Eine differenzierte Betrachtung bringt Licht ins Dunkel:

Wenn der Arbeitgeber alle Arbeitsschutzpflichten erfüllt und die notwendigen und erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen ergreift, ist dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung regelmäßig zumutbar, da die Gefahr für Leben und Gesundheit eingedämmt ist. Unterlässt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung dennoch aus Sorge vor einer Infektion, greift der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.

Wenn der Arbeitgeber die Arbeitsschutzpflichten jedoch nicht oder nicht ausreichend ergreift, liegt bei Arbeitnehmern einer Risikogruppe ein Fall der Unzumutbarkeit vor. Er darf seine Arbeitsleistung verweigern und kann trotzdem sein Entgelt verlangen. Denkbare Szenarien könnten z. B. die Nichteinhaltung von Mindestabständen oder das fehlende Tragen von Masken im Kontakt zwischen dem Personal untereinander, aber auch gegenüber Kunden/Dritten sein. Bereits die hieraus drohende Gefahr der Infektion kann den Arbeitnehmer zur Leistungsverweigerung berechtigen.

Besonders beachtlich ist allerdings die Konstellation, in der Arbeitgeber die Arbeitsschutzpflichten vollständig erfüllen, ausnahmsweise jedoch trotzdem die Unzumutbarkeit und damit Unmöglichkeit für den Arbeitnehmer vorliegt, weil er einer Risikogruppe angehört. Dieser Fall durchbricht gerade nicht den Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Der Arbeitgeber schuldet somit keine Vergütung, wenn einzelne Arbeitnehmer aufgrund ihres individuellen Risikos keine Arbeitsleistung erbringen können.

Arbeitnehmer erhalten Ihre Vergütung auch nicht aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen. Da kein Fall der vorübergehenden Verhinderung vorliegt, können Arbeitnehmer sich nicht auf einen Anspruch aus § 616 BGB berufen (dieser Anspruch könnte auch schon vertraglich ausgeschlossen sein). Mangels Erkrankung wird auch kein Fall der Lohnfortzahlung vorliegen. Da keine Quarantäne angeordnet wurde, liegt auch kein Fall der Entschädigung nach dem IfSG vor. Da der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung verweigert und sie somit gerade nicht anbietet, kann auch kein Fall des Annahmeverzugslohns vorliegen.

Auf den ersten Blick mag dieses arbeitgeberfreundliche Ergebnis überraschen. Bei näherer Betrachtung ist jedoch festzustellen, dass hier Umstände aus der Sphäre des einzelnen Arbeitnehmers vorliegen, auf die der Arbeitgeber keinen Einfluss nehmen kann. Zudem stellt die Situation einer Pandemie ein generelles Risiko dar, welches sich verwirklicht. Die Pandemie stellt auch gerade kein Betriebsrisiko dar, welches dem Arbeitgeber zuzuordnen wäre und zu einer Lohnzahlungspflicht führen würde. Somit trägt letztlich der Arbeitnehmer das Lohnrisiko.

Praxistipp:

Wenn die Möglichkeit besteht, den Mitarbeiter anderweitig (gefahrenlos) oder im Homeoffice zu beschäftigen, sollte diese Möglichkeit unbedingt vorrangig ergriffen werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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