Datenschutz

Die Krankmeldung der Zukunft

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Anna Wilhelm

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Die Telemedizin in Deutschland entwickelt sich. Mit der Onlinemethode erhält man die AU-Bescheinigung über einen Messenger direkt auf das Handy gesendet und zusätzlich postalisch.

„Was ich bis jetzt noch nicht hatte, habe ich jetzt ganz sicher“ – Jeder kennt wohl dieses Gefühl, sobald man das Wartezimmer einer Arztpraxis verlassen hat. Mit der Telemedizin soll dieses Ansteckungsrisiko verringert werden. In Deutschland gibt es noch nicht viele Telemedizin-Anbieter. Dies könnte sich in Zukunft aufgrund der geplanten Lockerung des Fernbehandlungsverbots drastisch ändern. Ein Telemedizin-Anbieter bietet neuerdings Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU-Bescheinigungen) an, die ohne Arztbesuch, nach dem Ausfüllen eines kurzen Fragebogens per Messenger direkt an das Mobilfunkgerät gesendet und zusätzlich per Post verschickt werden.

Der Anbieter bietet die Krankschreibung nur bei Erkältung und gegen eine Zahlung von 9,00 € an. Um Missbrauch vorzubeugen, ist dieser Service nur zweimal im Jahr für den jeweiligen Arbeitnehmer nutzbar. Zusätzlich erfolgt die Krankschreibung höchstens für die Dauer von höchstens drei Tagen und nicht rückwirkend. Auf der Homepage wirbt der Anbieter damit, dass diese App von Rechtsanwälten geprüft wurde und den Datenschutzvorgaben der DSGVO entsprechen würde.

Besonders kritisch erscheint die Datenschutzfrage aber im Hinblick auf die Übertragung der Daten auf Server in der USA. Der Messenger-Dienst greift möglicherweise auf alle Namen und Telefonnummern des Empfänger-Telefonbuchs zu und überträgt diese in die USA. Dafür bedarf es die Einwilligung aller Betroffenen. Liegt diese nicht vor, kann der Arbeitgeber einen Datenschutzverstoß begehen und riskiert somit ein Bußgeld nach der Datenschutzgrundverordnung.

Es ist darauf zu achten, dass der Krankenschein als E-Mail oder Fax vorab eingereicht werden kann, wenn eine persönliche Übergabe nicht möglich ist. Auf die Vorlage des Originals sollte nicht verzichtet werden, um die Echtheit überprüfen zu können.

Arbeitgeber können Zweifel an einer AU-Bescheinigung äußern. Der Telemedizin-Anbieter selbst wirbt mit einer statistischen Krankschreibungsquote von „nahezu 100%“.  Der Arbeitgeber kann von der zuständigen Krankenkasse verlangen, dass diese ein Gutachten des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit einholt (§ 275 Abs. 1a S. 3 SGB V). Falls der Arbeitnehmer die Durchführung einer solchen Untersuchung verweigert oder er seinen behandelnden Arzt nicht von dessen Schweigepflicht entbindet, kann dies in einem möglichen Prozess gegen das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sprechen.

Die Telemedizin gilt als Boom-Branche und sollte nicht außer Acht gelassen werden. Per se kann der Arbeitgeber die digitale Vorab-Zusendung des Krankenscheins durch den Arbeitnehmer nicht ablehnen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung bezügliche der digitalen AU-Bescheinigung muss insofern abgewartet werden. Sieht man von der Frage ab, ob eine Ausstellung der AU-Bescheinigung durch einen Arzt ohne vorherige persönliche Untersuchung überhaupt zulässig ist, kann der Arbeitgeber den Beweiswert der digitalen AU-Bescheinigung auch mit guten Gründen erschüttern. Insbesondere in Bezug auf das Missbrauchsrisiko und die möglichen Verstöße gegen die DSGVO, ist sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern von dem Gebrauch der digitalen AU-Bescheinigung vorerst abzuraten.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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