Länger als sechs Wochen krank und dann kommen Erstbescheinigungen mit neuen Forderungen auf Entgeltfortzahlung – was kann der Arbeitgeber tun?
Meist hat der Arbeitgeber nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit Zweifel am Vorliegen einer weiteren Ersterkrankung mit neuem Entgeltfortzahlungsanspruch, insbesondere, wenn die Zeiträume zeitlich sehr kurz aufeinanderfolgen. Wenn tatsächlich keine anrechenbaren Vorerkrankungen vorliegen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, erneut Entgeltfortzahlung zu leisten. Ist dagegen dieselbe Krankheit Ursache für die erneute Arbeitsunfähigkeit, liegt eine Fortsetzungserkrankung vor (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG). In diesem Fall entsteht die Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht mit jeder einzelnen Erkrankung von neuem.
Wiederholte Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit und damit eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn die Krankheit, auf der die frühere Arbeitsunfähigkeit beruhte, in der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent weiterbestanden hat, so dass die neue Erkrankung nur eine Fortsetzung der früheren Erkrankung darstellt.
Bei Fortsetzungserkrankungen entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nur, wenn der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist. Ist der Arbeitnehmer innerhalb vorstehender Zeiträume länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, ist allein die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend, weil sie keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung enthält.
Der Arbeitnehmer muss deshalb darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Denn bei vorhergehenden – teilweise über Monate – andauernden Arbeitsunfähigkeitszeiten kann der Arbeitgeber zu Recht zweifeln, ob nicht anrechenbare Vorerkrankungen vorliegen, so dass gar kein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstehen würde – trotz Vorlage einer Erstbescheinigung.
Die Vorlage einer neuen Erstbescheinigung allein reicht in einem solchen Fall nicht aus, sondern der Arbeitnehmer ist zusätzlich verpflichtet, darzulegen, dass die „neue“ Erkrankung nicht mit vorhergehenden Erkrankungen im Zusammenhang steht und damit keine anrechenbare Vorerkrankungen vorliegen. Solange diese Informationen dem Arbeitgeber nicht vollständig vorliegen, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern. Darüber hat das Bundesarbeitsgericht nun entschieden.
Insbesondere reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer nach einer eigenen Vorauswahl nur zu denjenigen Erkrankungen vorträgt, die aus seiner Sicht als mögliche Fortsetzungserkrankungen in Betracht kommen. Der Vortrag des Arbeitnehmers kann sich auch nicht bloß auf einen Verweis auf den Diagnoseschlüssel nach dem ICD-10 erstrecken, da es für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung keineswegs stets eines identischen Krankheitsbildes bedarf, sondern es ausreicht, wenn die Krankheitssymptome auf demselben Grundlei-den beruhen.
Die prozessuale Obliegenheit, Gesundheitsdaten zu offenbaren, steht auch im Einklang mit der DSGVO und dem BDSG, da sie der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen dient. Es bestehen daher keine datenschutzrechtliche Bedenken, wenn der Arbeitnehmer im Regelfall einzelne zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen im maßgeblichen Zeitraum offenlegen muss, wenn der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Erkrankung bestreitet.
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