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Erster Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes veröffentlicht

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Laura Schöneborn

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 erwartet die Wirtschaft mit Spannung, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angekündigte Novellierung des Arbeitszeitgesetzes zur Arbeitszeiterfassung.

Kaum ein anderes Urteil hat im vergangenen Jahr so hohe Wellen geschlagen, wie das Urteil des BAG rund um die Thematik der Arbeitszeiterfassung. Nach diesem Urteil bestand über das „ob“ der Arbeitszeiterfassung kaum noch ein Zweifel. Das „wie“ der Arbeitszeiterfassung sollte durch den Gesetzgeber mit dem klaren Ziel geregelt werden, Unsicherheiten aufzulösen. Nach der Veröffentlichung des ersten Referentenentwurfes, bleibt es fraglich, ob dies dem Gesetzgeber gelingt.

Der Entwurf befasst sich neben dem Arbeitszeitgesetz auch mit Änderungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes und der Offshore-Arbeitszeitverordnung. Das hiesige Informationsschreiben befasst sich zunächst nur mit dem Arbeitszeitgesetz.

Hier die wichtigsten Änderungsvorschläge einmal zusammengefasst:

  • Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer müssen am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufgezeichnet werden.
  • Die Aufzeichnung kann durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer delegiert werden.
  • Der Arbeitgeber kann auf Kontrollen der vertraglichen vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Der Arbeitgeber muss dennoch sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie der Ruhezeit bekannt werden.
  • Der Arbeitnehmer hat ein Informationsrecht über die aufgezeichneten Arbeitszeiten. In diesem Zuge werden Aufbewahrungsfristen etabliert.
  • Tarifverträge dürfen u.a. abweichende Regelungen zur Form und zum Zeitpunkt der Arbeitszeiterfassung enthalten.
  • Für Arbeitgeber, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, besteht keine Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung. Für alle anderen Arbeitgeber gelten nur hinsichtlich der Form Übergangsvorschriften ab Inkrafttreten des Gesetzes:
    • Arbeitgeber ab 250 Arbeitnehmer haben ein Jahr Zeit die elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen.
    • Arbeitgeber mit 50 – 250 Arbeitnehmer haben zwei Jahre Zeit die elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen.
    • Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern haben fünf Jahre Zeit die elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Die vorgestellten Änderungen befassen sich entgegen des Koalitionsvertrages gerade nicht mit der angekündigten Flexibilisierung der Höchstarbeits- sowie der Ruhezeiten. Es ist nicht verständlich, warum die Chance, das Interesse der Beschäftigten und Arbeitgebern an flexiblen Lösungen umzusetzen, nicht genutzt wird. Im Gegenteil: der derzeitige Referentenentwurf stellt im Wesentlichen eine weitere Regulierung und vor allem neue Bürokratie dar.

Eine taggenaue und elektronische Arbeitszeiterfassung – wie sie im Referentenentwurf vorgeschlagen wird – ist weder durch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG noch durch deutschen Umsetzungsgesetze gedeckt. Daneben wird eine notwendige und sinnvolle Formfreiheit der Arbeitszeiterfassung nicht gewährleistet und europarechtskonforme Freiräume nicht genutzt.

  • Die Möglichkeit, die Arbeitszeiterfassung an Arbeitnehmer zu delegieren, entspricht bereits der gelebten Praxis und der Rechtsprechung. Diese Regelung ist klarstellender Natur.
  • Das Thema der Vertrauensarbeitszeit bleibt weitestgehend unbeachtet. Die Feststellung, dass das Arbeitszeitgesetz auch für Mitarbeiter in Vertrauensarbeitszeit gilt, ist unbestritten. Es bleibt jedoch weiterhin unklar, wie weit die Kontrollen diesbezüglich zu reichen haben.
  • Abweichend zu der bisherigen Systematik des Arbeitszeitgesetzes bestehen nur Abweichungsmöglichkeiten für tarifgebundene Arbeitgeber. Es sind keine Abweichungen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages durch Individualvereinbarungen oder Betriebsvereinbarungen vorgesehen.

Die Vorschläge entspringen lediglich einem ersten Referentenentwurf. Weitere Änderungen sind durch die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung möglich. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren werden auch die Verbände zu diesem Gesetz angehört.

grosshandel-bw setzt sich mit anderen Verbänden im Rahmen des nun folgenden Gesetzgebungsverfahrens für unbürokratische und praxisnahe Regelungen sowohl in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung als auch in Bezug auf die Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts ein.

Über den weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens halten wir Sie auf dem Laufenden. Das Team von grosshandel-bw steht Ihnen bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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