Die Überwachung der Arbeitsgeschwindigkeit von Mitarbeitern mittels einer Software kann im Einzelfall wirksam sein.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover ist es Arbeitgebern nicht untersagt, fortlaufend die Arbeitsgeschwindigkeit ihrer Mitarbeiter zu überwachen.
Die niedersächsische Datenschutzbehörde hatte einem Versandhändler untersagt, in seinem eigenen Logistikzentrum mittels Software minutengenau und fortlaufend die Arbeitsschritte der Arbeitnehmer aufzuzeichnen, die die Arbeitnehmer teilweise mit Handscannern durchführten. Der Zweck dieser Datenerhebung war in erster Linie zwar die Steuerung der Logistikprozesse im Versandzentrum, allerdings wurden diese Daten auch für die „Qualifizierung und Schaffung von Bewertungsgrundlagen für individuelles Feedback an die Beschäftigten und Personalentscheidungen“ verwendet.
Das VG Hannover hielt die Maßnahme zur Leistungskontrolle – entgegen der Ansicht der niedersächsischen Datenschutzbehörde – für zulässig. Für alle vom Unternehmen verfolgten Zwecke sei die Datenerhebung erforderlich. Die vorzunehmende Interessenabwägung sei zugunsten des Arbeitgebers zu entscheiden, wobei diese Entscheidung dem Gericht offenbar schwer viel, da die Mitarbeiter durchaus einem Anpassungs- und Überwachungsdruck ausgesetzt sein können.
Allerdings sprach für das Überwiegen der Arbeitgeberinteressen vor allem, dass die Datenerhebung nicht heimlich geschehe, sondern die Mitarbeiter gar von Beginn an über deren Zwecke informiert würden. Zwar finde eine Leistungs-, nicht jedoch eine Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer statt, denn die Kommunikation und die physischen Bewegungen der Mitarbeiter würden durch die Software nicht überwacht werden. Hauptzweck der Software sei die Steuerung der Logistikabläufe. Teilweise schätzten die Mitarbeiter gar die Möglichkeit der objektiven Betrachtung der Leistungen, wie sich aus verschiedenen Zeugenaussagen der vor Ort tätigen Mitarbeiter ergab.
Urteil von praktischer Relevanz?
Für die tägliche Praxis kann dieses Urteil durchaus praktische Relevanz besitzen. Tatsächlich stellt nämlich der Einsatz von Überwachungssoftware, die den Unternehmen eine permanente Überwachungsmöglichkeit gibt, ein jedes Unternehmen vor schwierige Entscheidungen. Insbesondere dann, wenn die Software eigentlich anderen Zwecken als der Leistungsüberwachung dient. Denn die Einführung einer solchen Software kann nur dann rechtmäßig sein, wenn die Unternehmensinteressen das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters überwiegen. Wenngleich der Betriebsrat einer solchen Überwachungsmaßnahme zustimmen muss, kann diese im Einzelfall dennoch unwirksam sein, da die Interessen der Mitarbeiter im Einzelfall nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Auch die bisherige Rechtsprechung war bis zur Entscheidung des VG Hannover wenig eindeutig: So hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) Maßnahmen des Unternehmens, bei denen Mitarbeiter einem permanenten Überwachungsdruck ausgesetzt sind, als unzulässig eingestuft. 2017 wurde beispielsweise der Einsatz von „Keylogger-Software“, mit der der Arbeitgeber die Tastenanschläge der Mitarbeiter dauerhaft aufzeichnen und auswerten kann, als unzulässig eingestuft. Auch das dauerhafte Überwachen von Mitarbeiterbüros und Aufenthaltsräumen war als unzulässig eingestuft worden. Demgegenüber war es den Arbeitgebern erlaubt, öffentlich zugängliche Räume offen per Videoaufzeichnung zu überwachen, wenn die Mitarbeiter auf die Videoüberwachung hingewiesen wurden und aus der Überwachung kein Anpassungs- und Leistungsdruck entstehe, der regelmäßig bei der heimlichen Videoüberwachung vorliegt.
Entscheidung stärkt Unternehmensinteressen
Dennoch ist es für Unternehmen durchaus interessant, moderne Technologie einzusetzen, um Betriebsabläufe effizienter zu gestalten oder ihr Unternehmen zu schützen. Die Entscheidung des VG Hannover schafft für Unternehmen insoweit Klarheit, dass auch ein Einsatz von dauerhaft eingesetzten Softwaren datenschutzrechtlich vertretbar sein kann. Dies gilt jedenfalls bei solchen Unternehmen, bei denen es entscheidend auf die Schnelligkeit und Effizient der Arbeitsabläufe ankommt. Es kann nun leichter argumentiert werden, dass der Einsatz von Software zur dauerhaften Überwachung auf Unregelmäßigkeiten rechtswirksam sein kann.
Der Praxistipp exklusiv für Mitglieder (Loggen Sie sich ein):