Der Fachkräftemangel ist eines der größten Probleme der deutschen Wirtschaft. Aktuell fehlen bundesweit rund 633.000 Arbeitskräfte. Besonders groß ist die Lücke in der Sozialarbeit, bei Kinderbetreuung und in der Pflege.
Anlässlich des diesjährigen Internationalen Frauentags am 8. März setzen sich weltweit Menschen für die Gleichstellung für Frauen und Männer ein. Der deutsche Arbeitsmarkt ist in diesem Punkt noch immer nicht ausgeglichen: Obwohl Jahr für Jahr mehr Frauen erwerbstätig sind, ist die Erwerbstätigenquote noch immer niedriger als bei Männern. Eine neue IW-Studie zeigt: Insbesondere in Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, ist der Fachkräftemangel ein Problem. Sechs der zehn Berufe, die mit den größten Fachkräftelücken kämpfen, sind klassische Frauenberufe.
Sozialarbeit, Pflege und Erziehung besonders betroffen
Die größten Lücken gibt es in Sozialarbeit und Sozialpädagogik, also beispielsweise in Kinderheimen, der Suchtberatung oder Jugendämtern. Für 80 Prozent der offenen Stellen gab es rechnerisch bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen, über 23.000 Fachkräfte fehlen. Groß ist die Lücke auch in der Kinderbetreuung und Erziehung: Hier können fast 74 Prozent der ausgeschriebenen Arbeitsplätze nicht besetzt werden, weil passend ausgebildetes Personal fehlt. Mehr als 97 Prozent der Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, sind Frauen – mehr als in allen anderen Berufsgruppen. Durch die Lücke ergibt sich eine hohe Arbeitsbelastung. Ähnlich ist es in der Alten- und Krankenpflege: Hier sind rund 80 Prozent der Beschäftigten Frauen. Und es fehlen tausende Fachkräfte: Rund 35.000 von 43.000 offenen Stellen können nicht besetzt werden, weil es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt.
Geschlechterrollen müssen aufgebrochen werden
Es bleibt ein weiter Weg, um die Lücken zu schließen und damit die Arbeitsbelastung für Frauen – und Männer – zu verringern. So sollte möglichst früh in die berufliche Orientierung von Kindern und Jugendlichen investiert werden. Geschlechterrollen müssen aufgebrochen und junge Menschen ermutigt werden, ihre berufliche Zukunft aufgrund ihrer Fähigkeiten und Interesse zu wählen. Wegen des demografischen Wandels ist es außerdem unverzichtbar, mehr qualifizierte Zuwanderer zu gewinnen. „Unternehmen müssen besser auf die Bedürfnisse von dem jeweils anderen Geschlecht eingehen“, sagt Studienautorin Lydia Malin. „Nur so können die Lücken etwas verringert werden. Dabei helfen eine gendergerechte Sprache und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“
Auch Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, richtet zum Internationalen Frauentag den Blick auf den Fachkräftemangel im Land und die Frage, wie mehr Frauen für vollzeitnahe Beschäftigungsmodelle gewonnen werden können. Die Ministerin dazu: „Moderne Arbeitsformen wie New Work und Flexi-Time ermöglichen flexiblere, vollzeitnahe Beschäftigungsmodelle und die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Sie schaffen den Rahmen, damit mehr Frauen ihre Talente, ihr Know-how und ihre Fähigkeiten ebenso wie Männer ins Erwerbsleben einbringen und ihre individuellen Lebensentwürfe partnerschaftlich umsetzen können.“
Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg waren 49,2 Prozent der abhängig erwerbstätigen Frauen im Jahr 2021 teilzeitbeschäftigt – aus unterschiedlichen Gründen: etwa wegen Kinderbetreuung, Betreuung pflegebedürftiger Personen, Aus- und Fortbildung oder eigener Krankheit. Mit der Er-höhung des Arbeitszeitvolumens von Frauen wäre ein Potenzial von bis zu 112.000 Vollzeitäquivalenten in Baden-Württemberg möglich, verstärkt um ein zusätzliches Potenzial bei der generellen Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere von Frauen mit Migrationshintergrund, so eine Analyse der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.
Um das Bewusstsein von Unternehmen und Beschäftigten für das Thema „Vollzeitnahe flexible Beschäftigung“ weiter zu schärfen, wird das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg die diesjährigen Frauenwirtschaftstage unter das Schwerpunktthema „#NewWork und #Flexi-Time – ein Gewinn für Frauen und Unternehmen“ stellen. Die Frauenwirtschaftstage 2023 werden am 5. Oktober 2023 im Rahmen einer zentralen Auftaktveranstaltung eröffnet und finden landesweit von 18. bis 21. Oktober 2023 statt.
Aktuelle Informationen zu den Frauenwirtschaftstagen 2023 finden Sie unter https://www.frauundberuf-bw.de/frauenwirtschaftstage
Im Rahmen des Landesprogramms Kontaktstellen Frau und Beruf Baden-Württemberg erhalten (auch geflüchtete) Frauen Beratung in allen beruflichen Belangen. Die Kontaktstellen leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Integration von Frauen ins Erwerbsleben und unterstützen Frauen in allen Stationen ihres Berufsweges, passend zur jeweiligen Lebensphase: zu Neu- und Umorientierung, Wiedereinstieg, berufliche Weiterentwicklung und Aufstieg, Existenzgründung und Berufsorientierung. Sie setzen sich für Chancengleichheit von Frauen im Berufsleben ein und unterstützen Unternehmen bei der Fachkräftesicherung durch Information und Beratung zu Themen wie Gewinnung und Bindung weiblicher Fachkräfte, Unternehmensnachfolge durch Frauen, Teilzeitausbildung, flexible Arbeitszeitmodelle, Diversity Management.
Interessierte Frauen und Unternehmen finden Informationen über die digitalen Angebote und Vor-Ort-Angebote der Kontaktstellen sowie zu wichtigen Themen im Kontext Frau und Beruf in Baden-Württemberg auf der zentralen Informationsplattform unter https://www.frauundberuf-bw.de/