Die Streitfrage zum Bestehen einer strikten Neutralitätspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von Betriebsratswahlen ist jetzt höchstrichterlich geklärt worden.
Bislang wurde in der Kommentarliteratur überwiegend die Auffassung vertreten, dem Arbeitgeber obliege eine strikte Neutralitätspflicht im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Das BAG hat nun in seiner Entscheidung vom 25.10.2017 festgestellt, dass § 20 Abs. 2 BetrVG dem Arbeitgeber gerade nicht auferlege, sich jeglicher kritischer Äußerung über den Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Betriebsratswahl zu enthalten.
Es ging um eine Wahlanfechtung, weil im Vorfeld die Geschäftsleitung den damaligen Betriebsratsvorsitzenden kritisiert hatte. Bei einem Treffen von AT-Angestellten sei die Äußerung gefallen, der Betriebsratsvorsitzende behindere die Arbeit des Unternehmens. Ferner habe der Personalleiter angeregt, bei der nächsten Wahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Dieser habe auch aufgefordert, geeignete Mitarbeiter für einen neuen Betriebsrat zu suchen und Beschäftigte angesprochen, ob sie sich zur Wahl stellen. Er fragte auch nach der Bereitschaft ggf. das Amt des Betriebsratsvorsitzenden zu übernehmen. Später habe er bei einem Führungskräftetreffen gesagt, jeder der für Frau S. stimme, begehe „Verrat“. Das BAG sah die Wahl nicht für unwirksam an. Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften sei nicht festzustellen. § 20 BetrVG untersage nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. § 20 Abs. 2 BetrVG verbietet die Wahl des Betriebsrates durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder von Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen. Damit sind nach der Vorschrift nicht alle Handlungen oder Äußerungen verboten, die geeignet sein könnten, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung müsse vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch die Gewährung oder Versprechung von Vorteilen erfolgen. Das Gericht stellte fest, dass aus den Äußerungen des damaligen Geschäftsführers und des Personalleiters keine „Gesamtstrategie“ zur Wahlbeeinflussung erkennbar sei. Ihnen sei auch keine Androhung von Nachteilen oder das Versprechen von Vorteilen zu entnehmen. Die Anregung eine alternative Liste aufzustellen und das gezielte Werben für eine Kandidatur auf dieser Liste erfüllen noch nicht die Voraussetzungen einer verbotenen Wahlbeeinflussung im Sinne von § 20 Abs. 2 BetrVG.
Praxistipp:
Die Entscheidung ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Ein striktes Neutralitätsgebot wird dem Arbeitgeber nicht mehr auferlegt. Der Arbeitgeber darf sich zur Liste oder einzelnen Kandidaten äußern und auch Mitarbeiter zur Kandidatur auffordern. Unterbleiben müssen alle Handlungen und Äußerungen, die die Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder die Gewährung oder das Versprechen von Vorteilen darstellen könnten. Wichtig ist auch die Abwägung, ob eine explizite Äußerung des Arbeitgebers zu Personen oder Listen nicht auch einen gegenteiligen Effekt entfalten könnte.
(BAG – Beschluss v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16)