Am 12. September 2023 hat die Europäische Kommission in einer Mitteilung das KMU-Entlastungspaket veröffentlicht, das zwei legislative Initiativen und 17 geplante Einzelmaßnahmen beinhaltet.
Das KMU-Entlastungspaket zielt auf die Bewältigung der vier Kernprobleme kleiner und mittelgroßer Unternehmen ab, wie sie im Eurobarometer (September 2020) identifiziert wurden:
- Regulatorische Hindernisse oder Verwaltungsaufwand
- Zahlungsverzögerungen
- Zugang zu Finanzmitteln
- Kompetenzen
Aus Arbeitgebersicht sind insbesondere folgende Punkte von Bedeutung:
Vorschläge zur Vereinfachung des regulatorischen Umfelds
- Systematische Anwendung des KMU-Tests, insb. Berücksichtigung KMU-freundlicher Bestimmungen in neuen Legislativvorschlägen
- Ernennung eines KMU-Beauftragten der EU; der Präsidentin direkt unterstellt, ebenso in der Berichtslinie zum Binnenmarktkommissar hinsichtlich aller KMU-Fragen
- Mitwirkung des KMU-Beauftragten in allen KMU-relevanten Anhörungen des Ausschusses für Regulierungskontrolle
- Stärkere Bewertung der Auswirkungen wesentlicher Änderungsanträge durch Parlament und Rat an den Kommissionsvorschlägen auf KMU und Wettbewerbsfähigkeit
- Bis Ende 2023 Einführung des technischen Systems für die einmalige Erfassung (Once Only Technical System, OOTS) und Ausweitung des Anwendungsbereichs des einheitlichen digitalen Zugangstors (Single Digital Gateway, SDG) unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der KMU auf neue Verfahren, insb. bei der A1-Bescheinigung
- Vorschläge zur Verringerung der Berichtspflichten um 25 Prozent im Oktober 2023
Vorschläge zur Verbesserung der Liquidität und des Zugangs zu Finanzmitteln
- Risikobegrenzung hinsichtlich der Offenlegungspflichten für nicht börsennotierte KMU als Teil der Wertschöpfungskette von berichtspflichten Unternehmen im Rahmen der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD); zügige Bereitstellung freiwilliger Standards für nicht börsennotierte KMU.
- Einführung eines KMU-Standards für grüne Darlehen basierend auf den Empfehlungen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde sowie eine KMU-freundliche Bewertung der Quote grüner Vermögenswerte von Finanzinstituten im Kontext der Taxonomie-Verordnung.
- Entwurf einer Verordnung über Zahlungsverzug mit verbindlichen Zahlungsfristen von höchstens 30 Tagen für alle Geschäftsvorgänge; automatischen Entschädigungsgebühren und Zinsen bei Zahlungsverzug; erleichterter Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf durch Mediationsverfahren
Vorschläge zur Erleichterung des Zugangs zu Fachkräften
- Vorschlag zur Einrichtung eines EU-Talentpools und eine Initiative zur Verbesserung der Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen von Drittstaatsangehörigen bis zum 4. Quartal 2023
- Sensibilisierungs-, Mentoring- und Coaching-Kampagnen mit unterrepräsentierten Gruppen, z. B. Frauen, jungen Menschen und Menschen mit Behinderungen
Vorschläge zur Unterstützung von KMU während ihres gesamten Geschäftslebenszyklus
- Anhebung der finanziellen Schwellenwerte für die KMU-Definition im Rahmen der Rechnungslegungsrichtlinie basierend auf der Analyse der Auswirkungen der hohen Inflation und der längerfristigen Produktivitätssteigerungen
- Erarbeitung einer Definition für kleine „Mid Caps“
- Anpassung in den einschlägigen Rechtsakten, dadurch etwa Verringerung der Anzahl von berichtspflichtigen Unternehmen gemäß der CSRD und der Taxonomie-Verordnung
- maßgeschneiderte Wachstumsförderung für KMU und kleine Mid Caps
Bewertung
Die Wertschätzung gegenüber der KMU begrenzt sich allein auf die Analyse ihrer Problemlagen, zur kurzfristigen Entlastung der KMU enthält die Mitteilung aber leider keine greifbaren Details. Statt konkreter Entlastungsmaßnahmen beschränkt sie sich auf die Aufzählung schleppender Projekte (etwa die Ernennung eines KMU-Beauftragten der EU oder die Initiativen zur Fachkräftesicherung), und das Einfordern von Fristeinhaltungen seitens der Mitgliedstaaten (z. B. der Fertigstellung des nationalen OOTS bis Ende 2023). Insbesondere wird das selbst gesetzte Ziel der Kommission von 25 % Bürokratieabbau gerade im sozial- und beschäftigungspolitischen Bereich noch immer nicht konkretisiert, vielmehr wird es durch Gesetzgebung konterkariert. Trotz der Erkenntnis, dass das komplexe, regulatorische Umfeld das zentrale Problem für KMU darstellt, fehlen bedauerlicherweise konkrete Maßnahmen, um die besonderen Belastungen der nicht börsennotierten KMU in Bezug auf die EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards anzugehen. Der bloße Appell an große Unternehmen, ihre Anfragen an KMU angemessen zu formulieren, ist unzureichend. Es ist höchste Zeit für handfeste Legislativvorschläge vor allem für den spürbaren Bürokratieabbau und schnelle Umsetzung.
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