Selbst bei ausschließlich dienstlicher Nutzung des E-Mail-Accounts ist kein grundloser oder dauerhafter Zugriff ohne Prüfung der Verhältnismäßigkeit und einer Interessenabwägung möglich.
Grundsätzlich ist ein Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account eines Beschäftigten anlassbezogen möglich, wenn der Verdacht einer Straftat besteht, z. B. ein Verdacht auf Arbeitszeitbetrug. Der Arbeitgeber darf die E-Mails von Beschäftigten auch dann lesen und anderen Beschäftigten die Nutzung der betrieblichen E-Mail-Konten ermöglichen, wenn betriebliche Umstände, wie z. B. wegen einer Krankheits-/Urlaubsvertretung, dies erforderlich machen. Denn wichtig ist, dass auch in solchen Situationen der betriebliche Ablauf nicht gestört ist und die Geschäftsbeziehungen ohne Beeinträchtigung durch die Abwesenheit der Mitarbeiter fortgeführt werden können.
Daraus folgt, dass der Arbeitgeber selbst bei einer rein betrieblichen Nutzung und sogar verbotener Privatnutzung unter Berücksichtigung des Datenschutzrechts nicht uneingeschränkt die E-Mails einsehen und kontrollieren darf, obwohl bei ausdrücklich verbotener Privatnutzung grundsätzlich alle E-Mails als dienstliche E-Mails zu betrachten wären. Wichtig ist daher, dass der Arbeitgeber im Vorhinein Regelungen aufstellt, wann und wie er auch unter den Umständen einer verbotenen Privatnutzung die E-Mails kontrolliert. Die Beschäftigten müssen vorab darüber informiert werden.
Sehr wichtig ist ebenfalls, dass der Arbeitgeber nicht weiter den Inhalt einer E-Mail kontrollieren darf, wenn er trotz verbotener Privatnutzung einen außerdienstlichen Charakter einer E-Mail z. B. aus dem Betreff erkannt hat/erkennen konnte!
Privatnutzung (eingeschränkt) erlaubt
Wenn eine Privatnutzung (eingeschränkt) erlaubt ist, gilt erst recht, dass der Arbeitgeber besondere Sorgfalt im Rahmen einer Kontrolle des dienstlichen E-Mail-Accounts walten lassen muss. Eine vorherige Einholung der Erlaubnis des Beschäftigten ist dringend zu empfehlen. Auch hier sollten vorgenannte Kontroll-Regelungen (z. B. Kennzeichnungspflicht des Beschäftigten als „Private Post“) aufgestellt werden. Es ist daher anzuraten, den Umgang mit der Privatnutzung ausdrücklich zu regeln und den Beschäftigten nachweislich vorab darüber zu informieren, ansonsten wird ein Zugriff auf den Account nur selten rechtlich zulässig sein. Beweisverwertungsprobleme im Prozess könnten die Folge sein.
Was gilt aber, wenn die Privatnutzung vom Arbeitgeber nicht ausdrücklich geregelt ist?
Ist die Privatnutzung dann nicht erlaubt? Daran bestehen jetzt Zweifel. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2023 die derzeitige Alltagssituation in den meisten Unternehmen wie folgt gesehen: „Viele Unternehmen gestatten Ihren Mitarbeitern, in einem gewissen Umfang über den dienstlichen Zugang auch private E-Mails zu versenden und zu empfangen. Eine derartige private Nutzung dienstlicher Accounts ist im heutigen Arbeitsleben kein Einzelfall mehr, sondern geradezu üblich.“
Das LAG nimmt diese Bewertung zum Anlass, festzustellen, im Zweifel sei von einer Erlaubnis zur privaten Nutzung dienstlicher Kommunikationsmittel auszugehen!
Diese neue Rechtsauffassung bedeutet bei nicht geregelter Privatnutzung eine erhebliche Einschränkung der Einsichtnahmemöglichkeiten in den dienstlichen E-Mail-Account des Beschäftigten. Der Arbeitgeber muss nun noch mehr darauf achten, dass durch seine Einsichtnahme (Verhältnismäßigkeitsprüfung / Interessensabwägung) auf den dienstlichen E-Mail-Account keine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten von Arbeitnehmern vorliegt, welche gegebenenfalls auch zu Bußgeldern führen kann, denn:
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