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Lösung in Sicht – Digitale Betriebsratsbeschlüsse in Zeiten von Corona

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Rui Mayer

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)

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„Abstand“ – das Gebot der Stunde, aus dem sich für Unternehmen viele Fragen ergeben. Eine dieser Fragen: Muss der Betriebsrat weiterhin persönlich zur Beschlussfassung zusammenkommen, oder kann er auf Videokonferenzen ausweichen?

Diese Frage stellt sich aktuell vor allem im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit, mit denen die Grundlage für die Anordnung von Kurzarbeit gegenüber den Mitarbeitern geschaffen wird.

Aktuell sieht das Betriebsverfassungsgesetz keine Möglichkeit der virtuellen Betriebsratssitzung und Beschlussfassung vor; dies ist bislang lediglich bei Seebetriebsräten der Fall (vgl. § 41a EBRG). Obwohl Argumente für einen pragmatischen Umgang und die Wirksamkeit virtuell gefasster Beschlüsse sprechen, gibt es auch viele Argumente und Stimmen gegen deren Wirksamkeit; es ist völlig unklar, wie Gerichte diese bislang vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschiedene Frage beurteilen.

Um der Situation in Zeiten von hoher Ansteckungsgefahr und Quarantäne gerecht zu werden, hat nach intensiver Lobbyarbeit das Bundeskabinett kurzfristig Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes zugestimmt. Diese sollen die zeitnah verabschiedet werden und rückwirkend ab dem 1. März 2020 wirken. Danach sollen u. a. virtuelle Betriebsratssitzungen und Betriebsratsbeschlüsse möglich sein; zudem sollen die Regelungen auch für den Wirtschaftsausschuss gelten. Den Entwurf für die Gesetzesänderung steht nachfolgend oder im Downloadpool von grosshandel-bw zum Download zur Verfügung.

Vielfach wurden in den letzten Wochen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen, nach denen der Arbeitgeber sich nicht auf die Unwirksamkeit der für die Zeit der Corona Krise per Videokonferenz gefassten Beschlüsse berufen kann.

Auch wenn es sich hierbei um eine pragmatische Lösung handelt, sind diese Vereinbarungen kritisch einzuordnen: Eine derartige Abrede entfaltet nur Wirkung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. D. h. die betroffenen Arbeitnehmer sind daran nicht gebunden und können sich auch weiterhin in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren auf die Unwirksamkeit der getroffenen Beschlüsse berufen. Insbesondere bei Streitigkeiten über die wirksame Anordnung von Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung kann dies für die Unternehmen erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.

Bei wichtigen Beschlüssen – z. B. Themen mit finanziellen Auswirkungen und Risiken – sollte der “klassische Weg” der Beschlussfassung gewählt werden, solange keine klarstellende gesetzliche Regelung Sicherheit bringt. Hier kommen z. B. Präsenzsitzungen in Betracht, die in großen Räumen mit ausreichendem Sicherheitsabstand und eventueller Mikrofonanlage, sowie unter Einhaltung der möglichen Hygienevorschriften (ggf. auch unter Zurverfügungstellung von Mundschutz) stattfinden. Mit der geplanten Gesetzesänderung noch im April 2020 wäre dieses Vorgehen jedoch hinfällig.

Sollten bereits Beschlüsse virtuell per Videokonferenz gefasst worden sein, empfiehlt es sich, die Beschlüsse in der nächsten Präsenzsitzung bzw. nach der Gesetzesänderung in einer neuerlichen Videokonferenz nochmals zu bestätigen. Zumindest für die Zukunft hätte man dann bzgl. der Vereinbarung mehr Rechtssicherheit.

Ist es geplant, eine entsprechende Vereinbarung mit dem Betriebsrat noch vor der Gesetzesänderung abzuschließen, sollte das Vorgehen im Einzelfall in der Beratung mit dem Verband abgewogen werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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