Das BAG hat am 4. Mai arbeitgeberfreundlich entschieden, dass die Beweislast für vergütungspflichtige Überstunden weiterhin bei den Arbeitnehmern liegt.
Klagt ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber die Bezahlung der von ihm geleisteten Mehrarbeit bzw. Überstunden ein, muss er auch nachweisen können, dass und wann er diese Mehrarbeit bzw. Überstunden geleistet hat. Außerdem muss er die Tätigkeit benennen, die er erledigt hat und nachweisen können, dass diese Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest in Kenntnis gebilligt wurden. Auf das „Stechuhr-Urteil“ des EuGH, welches durch das Arbeitsgericht Emden im Jahr 2020 zu großer, eher negativer Berühmtheit gelangt ist, kommt es laut BAG nicht an. Im zu entscheidenden Fall ging es um immerhin 429 Stunden, die der Arbeitnehmer errechnet hatte.
Worum ging es im „Stechuhr-Urteil“ des EuGH?
In diesem Urteil legten die Luxemburger Richter im Jahr 2019 fest, dass tatsächlich geleistete Arbeitszeit erfasst und dokumentiert werden muss, obwohl dies die zugrundeliegende sog. Arbeitszeitrichtlinie der EU so ausdrücklich gar nicht vorsieht. Immerhin hatte der EuGH selbst klargestellt, dass seine Interpretation der Arbeitszeitrichtlinie keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten hat, sondern von den EU-Staaten zunächst einmal umgesetzt werden muss.
Wie ist die Situation in Deutschland?
In Deutschland gab und gibt es aber derzeit noch keine allgemeine Verpflichtung zur Erfassung und Dokumentation von Arbeitszeiten, mithin auch keine Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie im Sinne des EuGH-Urteil. Eine Dokumentationspflicht besteht in Deutschland bislang nur ausnahmsweise bei Arbeitszeiten von über acht Stunden täglich (§ 16 Abs.2 ArbZG), bei Minijobbern (§ 17 Abs.1 MiLoG) und in Branchen bzw. Berufsgruppen, bei denen Schwarzarbeit verbreitet ist (§ 17 Abs.1 MiLoG i. V. m. § 2a SchwarzArbG). Vor dem Hintergrund des „Stechuhr-Urteil“ herrschte zuletzt jedoch Unklarheit darüber, ob das Urteil des EuGH die deutsche Rechtslage beeinflussen könnte und es somit zu Beweiserleichterungen zugunsten der Arbeitnehmer kommen könnte, wenn diese ihren Arbeitgeber auf Überstundenvergütung verklagen und der Arbeitgeber keine laufende Arbeitszeitdokumentation betreibt.
Was sagt das BAG dazu?
Das BAG hat nun für Rechtssicherheit gesorgt und festgehalten, dass auch das Urteil des EuGH nicht zu einer Änderung der bisherigen Darlegungs- und Beweislast im Prozess um die Bezahlung von Überstunden führt. Das BAG sah die Begründung für sein Urteil unter anderem darin, dass der EuGH sich in seinem „Stechuhr-Urteil“ nur mit Fragen des Arbeitsschutzes befasste und sich gerade nicht zur Frage der Vergütung von Überstunden äußerte.
In der Folge verlor der klagende Arbeitnehmer den Prozess.
Arbeitgeber können durch das Urteil vorerst aufatmen. Es bleibt abzuwarten, ob und wann der deutsche Gesetzgeber die Arbeitszeitrichtlinie der EU näher umsetzt und welche Auswirkungen dies dann auf das deutsche Arbeitsrecht haben wird.