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Schlau gedacht, schlecht gemacht: Befreiung von der Maskenpflicht

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Arabel Münch

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Der Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz könnte geeignet sein, Arbeitnehmer* von der Maskenpflicht zu entbinden – dies gilt jedoch nicht bei Publikumsverkehr, so das Arbeitsgericht Freiburg.

Corona ist zweifelsfrei eine Sondersituation, die auch das deutsche Arbeitsrecht vor viele neue Herausforderungen stellt. Dazu zählt wohl auch die Frage, wie Arbeitgeber mit Mitarbeitern umgehen sollen die der Maskenpflicht nicht nachkommen. Von besonderem Interesse sind dabei vor allem die Fälle, in denen Arbeitnehmer ein – unzureichendes – ärztliches Attest vorlegen.

grosshandel-bw ist im Juni 2021 wegen eines solchen Sachverhalts erfolgreich für ein Mitglied vor dem Arbeitsgericht Freiburg aufgetreten:

Die betroffene Mitarbeiterin arbeitete als Verkäuferin auf der Verkaufsfläche des Mitglieds. Zu ihren Aufgaben zählten auch Lagertätigkeiten. Auf der Verkaufsfläche herrschte durch ein- und ausgehende Kunden Publikumsverkehr. Nachdem die Arbeitnehmerin mehrere Monate mit Maske arbeitete, legte sie schließlich ein (wohl zu pauschales) ärztliches Attest vor, das sie von der Pflicht zum Tragen einer Maske während der Arbeit befreien sollte. Die zu dem Zeitpunkt einschlägige Corona-Verordnung (Baden-Württemberg) regelte in § 3 Abs. 3 Nr. 3, dass eine Entbindung von der Maskenpflicht dort nicht möglich ist, wo Publikumsverkehr herrscht.

Obwohl das Attest vom Arbeitgeber als unzureichend zurückgewiesen wurde, prüfte der Arbeitgeber, ob es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit gäbe, bei der dauerhaft auf eine Maske verzichtet werden könne. In der Folge wurden der Mitarbeiterin Tätigkeiten außerhalb der Ladenöffnungszeiten angeboten, die jedoch zeitlich nicht den vertraglich vereinbarten Umfang erfüllt hätten und damit zu Lohneinbußen bei der Arbeitnehmerin geführt hätten. Alternativ wurde ihr auch, im vollen vertraglichen Umfang, eine überwiegende Tätigkeit im Lager angeboten. Diese Tätigkeit wäre aber auch mit Tätigkeiten auf der Verkaufsfläche und somit mit der greifenden Maskenpflicht einhergegangen. Beide Angebote lehnte die Arbeitnehmerin ab. Stattdessen wollte sie mit einem Gesichtsvisier tätig werden. Dem entgegnete der Arbeitgeber jedoch zutreffend, dass Gesichtsvisiere kein milderes, gleichgeeignetes Mittel seien und auch nicht in der Verordnung vorgesehen wären.

In der Zwischenzeit war die Arbeitnehmerin freigestellt bzw. sie brachte ihren Urlaub ein.

Schlussendlich klagte sie in einem Eilverfahren auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz ohne Maske.

In der mündlichen Verhandlung zeichnete sich jedoch sehr deutlich ab, dass die Arbeitnehmerin diesen Rechtsstreit nicht gewinnen würde. Neben formellen Fehlern gab es auch einige materiell rechtliche Bedenken, die der Vorsitzende offensichtlich mit grosshandel-bw und dem beklagten Arbeitgeber teilte. Da die Sache letztlich vergleichsweise beendet wurde, erließ die entscheidende Kammer des Arbeitsgerichts Freiburg dankenswerterweise folgenden Hinweis:

„Der Vorsitzende vertritt die vorläufige Auffassung, dass es als subjektive Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 3 BGB anzusehen sein dürfte, wenn die VKlägerin ihre bisherige Tätigkeit nicht ausüben kann, weil sie eben keine Maske tragen kann. Weil niemand etwas dafürkann, dürfte der Arbeitgeber von der Gegenleistung frei sein.

Die VKlägerin hat natürlich grundsätzlich einen Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes. Indes muss ein solcher nicht geschaffen werden. […]“.

Dieser richterliche Hinweis bestätigt grosshandel-bw in seiner bisherigen Beratung. Auch wenn der Antrag auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz grundsätzlich klug gewählt war, verhalf er der Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall nicht zum Erfolg. Die Klägerin war nicht in der Lage vorzutragen, wie der leidensgerechte Arbeitsplatz ohne Maske auszusehen habe. Da die Tätigkeit auf der Verkaufsfläche zwingend mit Publikumsverkehr einhergeht und die Corona-Verordnung des Landes bei Publikumsverkehr keine Ausnahmen von der Maskenpflicht zuließ, war es der Arbeitnehmerin unmöglich ihre geschuldete Arbeit ordnungsgemäß mit Maske anzubieten. Diese sog. subjektive Unmöglichkeit auf Seiten der Arbeitnehmerin befreite wiederum den Arbeitgeber von der Zahlungspflicht.

Dieses Verfahren verdeutlicht wieder einmal, dass die Arbeitsgerichte in Zeiten von Corona durchaus die Probleme der Arbeitgeber wahrnehmen, erkennen und berücksichtigen.

Trotz des positiven Verlaufs dieses Verfahrens bleibt der Appell: Arbeitgeber sollten im Falle eines Attests zur Befreiung von der Maskenpflicht – abhängig vom Einzelfall – mildere, gleichgeeignete Mittel prüfen und keinesfalls voreilig reagieren. Durchaus sind dabei auch andere, leidensgerechte Arbeitsplätze, in die Erwägungen mit einzubeziehen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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