Markt und Wettbewerb

Stimmung im baden-württembergischen Großhandel über dem Bundesdurchschnitt

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Boris Behringer

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Regionale Auswertung der BGA Umfrage zur Lage im Großhandel zeigt Trends für Baden-Württemberg.

Zum Jahreswechsel 2021/22 deutet die Stimmung im Großhandel von Baden-Württemberg auf ein Abflachen der konjunkturellen Erholung. Anhaltende Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten dämpfen die Stimmung der über 20 Tausend Großhändler in Baden-Württemberg. Die sich eintrübende Stimmung zum Jahreswechsel weist auf eine wieder fragilere Lage. Auch sehen sich die Großhändler mit erheblichen Anforderungen aus Digitalisierung und Strukturwandel konfrontiert. Dies ist zusammenfassend das wesentliche Ergebnis der Umfrage des BGA zur Lage und den weiteren Perspektiven im Großhandel für Baden-Württemberg.

Die Großhändler verlieren nach dem Großhandelsklimaindikator für Baden-Württemberg zum Jahreswechsel 2021/2022 wieder an Zuversicht. Die Stimmung bleibt positiv, jedoch wird die Lage aufgrund von Unabwägbarkeiten wieder kritischer betrachtet. Der Klimaindikator ergibt sich aus der aktuellen Lagebewertung und den künftigen Erwartungen der Großhändler in Baden-Württemberg. Er basiert auf der Unternehmensumfrage des BGA im Dezember 2021 (grosshandel-bw berichtete hier). Ein Wert über 100 Punkte weist auf ein positives Stimmungsbild hin, ein Wert unter 100 Punkte auf ein negatives Stimmungsbild.

Großhandels-Klimaindikator über dem Bundesdurchschnitt

Nach der Erholung im vergangenen Jahr zeigt der Klimaindikator für den Großhandel in Baden-Württemberg nun wieder eine Stimmungseintrübung zum Jahreswechsel 2021/21. Er sinkt auf einen Wert von 114,1 Punkten. Mit einem Rückgang um 5,4 Punkte liegt der Indikator für den Großhandel in Baden-Württemberg aber 4 Punkte über dem Bundesdurchschnitt.

Eine Trendwende hin zu einer verhalteneren Entwicklung zeichnet sich sowohl bei der aktuellen Geschäftslage als auch der Geschäftserwartung ab. Dabei fällt die aktuelle Geschäftslage nur leicht um 2 Punkte auf einen Wert von 123,1 Punkten. Grund hierfür ist die weiterhin gute Bewertung der Kapazitätsauslastung in den letzten Monaten.

Entwicklung Großhandels-Klimaindikator Baden-Württemberg

Quelle: BGA Unternehmensbefragung Dezember 2021, Grafik: BGA

Quelle: BGA Unternehmensbefragung Dezember 2021, Grafik: BGA

 

Die Geschäftserwartungen liegen mit einem Wert von 105,1 Punkten um 3,4 Punkte über dem Bundesdurchschnitt. Jedoch fällt der Rückgang um 8,9 Punkte deutlich höher aus als bei der aktuellen Geschäftslage. Ursächlich ist insbesondere die Bewertung der künftigen Ertragslage.

Auftragseingänge und Kapazitätsauslastung der Großhändler in Baden-Württemberg entwickeln sich unterschiedlich. Während die Bewertung der aktuellen Auftragseingänge mit einem Rückgang um 21 Punkte auf einen Wert von 11 Punkten deutlich sinkt, steigt die Bewertung der Kapazitätsauslastung von 16 auf 22 Punkte an. Dies unterstreicht ein Abflachen der wirtschaftlichen Entwicklung zum Jahresauftakt 2022.

Entwicklung der aktuellen Auftragseingänge und Kapazitätsauslastung

Quelle: BGA Unternehmensbefragung Dezember 2021, Grafik: BGA

Quelle: BGA Unternehmensbefragung Dezember 2021, Grafik: BGA

 

Großhändler durch Lieferengpässe belastet

Auf die Stimmung im Großhandel in Baden-Württemberg drückt vor allem die Versorgungslage mit Rohstoffen und Vorleistungen, aber auch Engpässe in der Logistik, wie aus der BGA-Großhandelsumfrage hervorgeht. Dabei sehen sich die Großhändler in Baden-Württemberg aktuell im Vergleich zum Bundesdurchschnitt stärker belastet. Allerdings erwarten mehr Großhändler in Baden-Württemberg als im Bundesdurchschnitt bei der Versorgung mit Rohstoffen und Vorleistungen eine Entspannung.

Auf die Frage, wie die Großhändler in Baden-Württemberg die Verlässlichkeit der Logistikkette in Deutschland sehen, antworteten 40 Prozent, dass sie Probleme aufgrund hoher Kostenbelastungen haben. Weitere Schwierigkeiten werden in der mangelnden Infrastruktur gesehen. Knapp 29 Prozent haben Probleme auf Grund fehlender Fachkräfte und nur 12 Prozent gaben an, dass keine Probleme vorliegen, um Waren vertrags- und fristgerecht zu liefern.

Zur Frage nach der Versorgung von Rohstoffen und Vorprodukten gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie nur geringe Probleme haben, diese für ihre Kunden zu beschaffen. Jedoch haben mit 55 Prozent der befragten Großhändler in Baden-Württemberg die Mehrheit massive Probleme.

Die Erwartungen an die Entwicklung der Versorgungslage bleiben angespannt. Nur 23 Prozent der Großhändler in Baden-Württemberg erwarten, dass sich die Versorgungslage in Kürze entspannt, jedoch die Einkaufspreise fast unverändert bleiben. Dass die Einkaufspreise weiter steigen und die Versorgungslage sich weiter erschweren wird, erwarten dagegen 70 Prozent der Großhändler in Baden-Württemberg.

Der BGA geht davon aus, dass sich die Versorgungsengpässe im Zuge der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ebenso wieder entspannen werden wie die aktuell steigenden Preisen als marktwirtschaft­liche Reaktion auf Knappheiten bei Rohstoffen und Vorprodukten. Dies dürfte jedoch aufgrund der bestehenden Unsicherheiten erst im Laufe des Jahres 2022 der Fall sein.

 Politische Handlungsanforderungen

Angesichts der bestehenden Unsicherheiten über die weitere konjunkturelle Entwicklung und der strukturellen Herausforderungen bei hohen Corona-Inzidenzwerten bedarf es einer verlässlichen politischen Flankierung. Zu der Frage einer allgemeinen Impfpflicht gibt es in Deutschland sehr unterschiedliche Ansichten. Klar ist aber, dass die vierte Welle der Pandemie so schnell wie möglich eingedämmt werden muss und wir uns zugleich für weitere Wellen wappnen müssen.

Wenn weitere gesellschaftliche und damit auch wirtschaftliche Einschränkungen vermieden werden wollen, müssen sich deutlich mehr Menschen impfen und boostern lassen. Ein weiterer Lockdown wäre für den Großhandel eine schwere Belastung. Deshalb unterstützen die Großhändler auch in Baden-Württemberg die Politik klar in der Frage der Impfpflicht. 74 Prozent der Befragten – etwas weniger als im Bundesdurchschnitt – sind für eine allgemeine Impfpflicht, 15 Prozent für eine sektorale Impfpflicht.

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

Politisch begegnen die Großhändler in Baden-Württemberg dem Ampel-Bündnis mit Offenheit. Aber die Umfrage zeigt auch, dass die Unternehmen konkrete politische Fortschritte erwarten. Der weit überwiegende Teil der Großhändler – mit 77 Prozent der Befragten etwas mehr als im Bundesdurch­schnitt – macht die Beurteilung von der Umsetzung abhängig, wobei von den Großhändlern tendenziell mehr erwartet wurde (23 Prozent).

Wirtschaftspolitik

Die Großhändler setzen nun auf konkretes und schnelles Handeln. Als erstes muss – so 74 Prozent der Befragten und damit auch mehr als im Bundes­durchschnitt – mehr Dynamik durch Investitionen in Digitalisierung und Infra­struktur erreicht werden. Mit deutlichem Abstand und auch geringer als im

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

 

Bundesdurchschnitt wird als prioritär die Sicherung der Energieversorgung und mit 55 Prozent und die die Beschleunigung von Genehmigungen und administrativen Prozessen mit 53 Prozent angesehen.

Die Politik hat sich mit dem Ausstieg aus Atomenergie und fossilen Energien ehrgeizige Ziele mit weitreichenden Folgen gesetzt. 74 Prozent der befragten Großhändler – und damit im Vergleich zum Bundes überdurchschnittlich viele – sehen im Moment die Energieversorgung noch als gesichert an, machen sich aber Sorgen über die zunehmende Kostenbelastung. Dass die EEG-Umlage wegfallen soll, ist ein richtiger Schritt, allerdings kompensiert der steigende CO2-Preis diese Entlastung.

Steuerpolitik

62 Prozent der Großhändler – und damit mehr als im Bundesdurchschnitt – begrüßen, dass die große Koalition sich verständigt hat, Steuern nicht zu erhöhen und keine neuen Substanzsteuern einzuführen. Eine Modernisierung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung haben sich 17 Prozent erwartet, um mehr Dynamik zu schaffen. Auch wenn damit in der jetzigen Regierungskonstellation kaum zu rechnen ist, erwartet der Großhandel von der Politik eine praxistaugliche Ausgestaltung des Optionsmodells und der Thesaurierungsbegünstigung für mittelständische Personenunternehmen sowie eine verbesserte Verlustverrechnung. Bei den angekündigten, begrüßenswerten Superabschreibungen kommt es nun ebenfalls auf die Ausgestaltung an.

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

 

Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Die Belastung mit Arbeitskosten drückt auch in Baden-Württemberg die Großhändler. Viel wichtiger als eine Erhöhung des Mindestlohns wären aus ihrer Sicht Reformen in den Sozialversicherungen, damit die Beiträge nicht über 40 Prozent steigen. Dies befürworten drei Viertel der befragten Großhändler und damit so viele wie in keiner anderen Region. 25 Prozent plädieren für Reformen mit dem Ziel einer Senkung der Beitragssätze. Einen weiteren Ausbau des Sozialstaates finden die Großhändler in Baden-Württemberg nicht gerechtfertigt. Damit der Sozialstaat finanzierbar bleibt, braucht Deutsch­land wettbewerbsfähige, leistungsstarke Unternehmen.

Unternehmensfinanzierung

Die Corona-Krise hat viele Unternehmen finanziell massiv belastet und Anforderungen an eine nachhaltigen Finanzierung („Sustainable Finance“) stehen nun zusätzlich auf der politischen Agenda.

Viele Unternehmen, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, sind hierauf noch nicht ausreichend vorbereitet. „Wir werden den Anforderungen nicht ausweichen können.“ – Dies sehen 36 Prozent der Großhändler in Baden-Württemberg und damit nahezu so viele wie im Bundesdurchschnitt so. Ein Drittel und damit deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt halten es für richtig, Finanzierungen künftig verstärkt an Anforderungen nachhaltigen Wirtschaftens auszurichten, um die Kosten der Umweltbelastungen gerecht zu finanzieren.

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

Quelle: BGA-Umfrage, Dezember 2021

 

Nur etwas mehr als jeder vierte Unternehmer – und damit deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt – sieht dies zum Teil mit große Skepsis: 10 Prozent geben an, dass mehr Nachhaltigkeitsfinanzierungen benötigt werden, aber auch attraktive, klassische Finanzierungen. Und 17 Prozent stehen den Überlegungen, Nachhaltigkeit über Ratings und Zinsen zu regeln, ablehnend gegenüber. Auch wenn kleine und mittlere Unternehmen von den Regelungen für börsennotierte, große Unternehmen nicht direkt betroffen sein dürften, sind indirekte Auswirkungen über Finanzierungen und die Lieferkette nicht auszuschließen.

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Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

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