Human Resources

Unfall bei Betriebsbesichtigung versichert?

© lembergvector / Adobe Stock
mm

Sabine Reich

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

E-Mail-Kontakt
Tel: 0621 15003-0

Arbeitgeber sollten prüfen, ob und wie die gesetzliche Unfallversicherung nach ihrer Satzung Teilnehmer einer Betriebsbesichtigung als Arbeitsunfall versichert hat.

Schnell ist es passiert. Nicht nur im Homeoffice gibt es Unfälle, bei denen streitig ist, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Im vom Bundessozialgericht (BSG) am 31. März 2022 entschiedenen Fall hatte eine Arbeitssuchende im Rahmen eines unentgeltlichen „Kennenlern-Praktikumstages“ nach dem fachlichen Austausch in Gesprächen während der abschließenden Betriebsbesichtigung eines Hochregallagers einen Unfall erlitten.

Die Berufsgenossenschaft lehnte einen Arbeitsunfall ab, da während eines unentgeltlichen Kennenlern-Tages keine Tätigkeit mit wirtschaftlichem Wert vorliege. Der Arbeitgeber habe kein Weisungsrecht, der Bewerber leiste keine entgeltliche selbstständige Arbeit, maximal handle er freiwillig, er sei nicht an Arbeitszeiten gebunden und erhalte keine Vergütung.

Oft nehmen die Satzungen der Berufsgenossenschaften auch die „Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Betriebsbesichtigung“ vom Versicherungsschutz aus.

Die beklagte Berufsgenossenschaft im obigen Fall hatte jedoch ausnahmsweise auch eine Unternehmensbesichtigung gemäß ihrer Satzung versichert. Laut BSG sei es dann unerheblich, dass die Klägerin ein eigenes Interesse am Kennenlernen des zukünftigen potenziellen Arbeitgebers gehabt habe.

Der Unternehmer soll umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch eine Besichtigung entstehen können.

Immer wieder wird vor Gericht gestritten, ob die vereinbarten „Kennenlern- oder Schnuppertage“ auch tatsächlich welche waren.

Eine schriftliche Vereinbarung im Vorfeld kann hier hilfreich sein und wird von grosshandel-bw ausdrücklich empfohlen.

In der schriftlichen Vereinbarung sollte der Zeitraum des Einfühlungsverhältnisses (auch „Schnupper-Praktikum“ genannt) eindeutig festgelegt sein. Außerdem sollte sie den Passus enthalten, dass keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht und auch kein Lohnanspruch.

Im Streitfall entscheidend ist aber, dass sich alle an das in der Vereinbarung Festgeschriebene halten, also was tatsächlich getan wird und was nicht. Das gilt übrigens auch, wenn der Schnupperkandidat im Betrieb einen Unfall hat. Stellt sich nämlich heraus, dass er nicht nur geschnuppert, sondern auch auf Anweisung des Arbeitgebers gearbeitet hat, ist er ohne Sonderregelung in der Satzung einer Berufsgenossenschaft gesetzlich unfallversichert und es liegt grundsätzlich ein meldepflichtiges Arbeitsverhältnis vor.

Die Satzung der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft (GroLa BG) enthält übrigens auch „für nicht im Unternehmen beschäftigte Personen als Teilnehmer an Besichtigungen des Unternehmens“ einen Versicherungsschutz kraft Satzung (§ 50 Abs. 1b).

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.

Aktuelles