Weiterführende Informationen und Vertiefungen zum Topthema Coronavirus (SARS-CoV-2)
Nachdem die Zahl der Infizierten auch in Deutschland weiter steigt und das Virus sich zunehmend verbreitet, werden auch von staatlicher Seite mehr Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Fußballspiele werden ohne Zuschauer durchgeführt, die Eishockey-Meisterschaft wurde abgesagt und in mehreren Städten schließen Veranstaltungsorte wie Theater oder Opernhäuser.
grosshandel-bw möchte mit diesem Update erneut auf arbeitsrechtliche Fragestellungen in Bezug auf die Pandemie eingehen. Viele Probleme müssen im Einzelfall abgewogen werden. Richtlinien oder Vorgaben durch aktuelle Rechtsprechung, sind für die derzeitige Situation bisher nicht ergangen.
Ein Arbeitnehmer kehrt aus einem Risikogebiet zurück oder wohnt in diesem, kann er zuhause bleiben?
Die Pflicht zur Arbeitsleistung wird grundsätzlich nicht berührt. Der Arbeitnehmer hat kein Recht von sich aus zuhause zu bleiben, nur weil er aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist oder dort seinen Wohnsitz hat. Auf den Wunsch des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber diesen unbezahlt freistellen. Eine Verpflichtung hierzu besteht allerdings nicht.
Was sollen Arbeitgeber tun, wenn Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zur Arbeit kommen?
Im Rahmen der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer befragen, ob dieser Kontakt zu infizierten Personen hatte. Diese Befragung kann auch telefonisch erfolgen, bevor der Arbeitnehmer den Betrieb betritt. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber über den Kontakt zu einer infizierten Person informieren. Falls ein solcher Kontakt vorliegt, sollte das zuständige Gesundheitsamt informiert werden. Grundsätzlich ordnet das Gesundheitsamt in solchen Fällen häusliche Quarantäne für die Inkubationszeit (14 Tage) an.
Sollte kein Kontakt zu einer infizierten Person bestehen und der Arbeitnehmer auch keinerlei Erkältungssymptome aufzeigen, ist der Arbeitgeber nicht zu einer vorsorglichen bezahlten Freistellung verpflichtet. Einvernehmliche Lösungen, wie befristete Home-Office-Vereinbarungen, können in solchen Situationen durchaus sinnvoll sein. Das Risiko der Infektionsgefahr im Betrieb muss vom Arbeitgeber im Einzelfall abgewogen werden.
Muss der Arbeitgeber bezahlt freistellen, wenn eine konkrete Infektionsgefahr bei dem Arbeitnehmer vorliegt?
Muss der Arbeitgeber Entgelt weiterzahlen, wenn der Arbeitnehmer einem behördlichen Tätigkeitsverbot oder eine Quarantäneanordnung unterliegt?
Die Entschädigungszahlung der Behörde gem. § 56 Abs. 1 IfSG ist nachrangig. Sollte der Mitarbeiter eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt haben, greift auch im Fall des Tätigkeitsverbotes / der Quarantäne die Entgeltfortzahlung. Beim gesunden Arbeitnehmer ist erneut entscheidend, ob § 616 BGB wirksam im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde. Sollte dies der Fall sein, erleidet der Arbeitnehmer einen Verdienstausfall. Der Arbeitgeber ist für 6 Wochen gesetzlich verpflichtet das Entgelt weiterzuzahlen, er erhält aber von der zuständigen Behörde auf frist- und formgerechten Antrag eine entsprechende Entschädigung.
Bei dem Antrag, der innerhalb von 3 Monaten ab dem Tätigkeitsverbot bei der zuständigen Behörde eingehen muss, muss ebenfalls ein Nachweis darüber erbracht werden, dass § 616 BGB wirksam ausgeschlossen wurde.
Sollte § 616 BGB nicht ausgeschlossen sein, beginnt der Abwägungsprozess erneut. Insbesondere die Frage, welcher Zeitraum noch als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ angesehen wird, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Aktuellere Rechtsprechung geht im Fall der bezahlten Freistellung meist nur von wenigen Tagen aus. Ein älteres Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1979 sieht einen Zeitraum von sechs Wochen noch als verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum an.
Können Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber bei Maßnahmen ausländischer Behörden eine entsprechende Entschädigung verlangen?
Sollte die Quarantäne durch ausländische Behörden erteilt worden sein, kann keine Entschädigung über § 56 IfSG gewährt werden. Ob es entsprechende ausländische Vorschriften gibt, ist im Einzelfall zu prüfen.
Darf der Arbeitgeber die Körpertemperatur der Mitarbeiter vor Betreten des Betriebsgeländes als Sicherheitsmaßnahme messen?
Eine solche Maßnahme unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfte eine pauschale Anordnung der Körpertemperaturmessung unzulässig sein. Dies stellt einen zu starken Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Anders liegt der Fall, wenn eine Infizierung im Unternehmen festgestellt wurde. Dann kann eine entsprechende Körpertemperaturmessung angemessen sein, um eine weitere Ausbreitung im Betrieb zu unterbinden.
Mitgliedern von grosshandel-bw steht nachfolgend und im Downloadpool der aktuelle Leitfaden der BDA vom 11.03.2020 zur Verfügung und zusätzlich eine vom BGA zur Verfügung gestellte Checkliste zur Erstellung eines Pandemieplans.