Arbeitgeber sind verpflichtet, sexuelle Übergriffe nach Möglichkeit zu verhindern. Nach Kenntnis von solchen Vorfällen, muss der Arbeitgeber unverzüglich handeln.
Wer unerwünschte sexuell bestimmte Berührungen oder Bemerkungen sexuellen Inhalts am Arbeitsplatz vornimmt und damit vielleicht sogar bezweckt oder bewirkt, dass die Würde des Betroffenen verletzt wird, verstößt in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Daher riskiert der Arbeitnehmer eine Abmahnung, in schwerwiegenden Fällen aber auch eine fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen.
Doch wann liegt eine massive Beleidigung vor, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt? Darüber hat das Arbeitsgericht Elmshorn mit Urteil vom 26. April 2023 entschieden:
Eine Arbeitnehmerin des Arbeitgebers X hatte anlässlich einer Weihnachtsfeier für die Geschäftsführung ein Geschenk gekauft. Das von ihr ausgelegte Geld wollte sie später von ihren Kollegen einsammeln. Ein Kollege erwiderte, dass er den Betrag nicht passend habe, sondern nur einen Fünfzig-Euro-Schein. Die Arbeitnehmerin ihrerseits erwiderte, dass sie noch nicht wechseln könne. Der Kläger äußerte daraufhin gegenüber der Kollegin in Anwesenheit von mehreren Arbeitskollegen: „Wir können Sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“
Die Reaktion der Frau K. wie auch der weiteren Mitarbeiter auf die Äußerung ist zwischen den Parteien streitig.
Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden zumutbar ist oder nicht.
Eine schwere sexuelle Belästigung stellt einen an sich wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar, da es sich um eine schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers handelt. Eine sexuelle Belästigung kann sowohl bei einem bestimmten Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, vorliegen. Dies gilt umso mehr, wenn bezweckt oder bewirkt wird, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Hierzu zählen sowohl eindeutig sexuell intendierte verbale Äußerungen wie auch der Griff an die sekundären Geschlechtsorgane gegen den Willen einer Person und auch Beleidigungen unter Arbeitnehmern, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten.
Die obige Äußerung ist in höchstem Maße beleidigend. Mit der Äußerung wird die Kollegin auf derbste Art und Weise zum Objekt sexueller Anspielung herabgewürdigt. Sie wird mit einem Objekt gleichgestellt. Es handelt sich nicht um eine bloße „Anzüglichkeit“, sondern um eine besonders krasse Form der Herabwürdigung.
Eine Beleidigung und ein sexueller Übergriff werden nicht dadurch weniger intensiv, dass andere Kollegen darüber lachen. Auch auf eine unmittelbare Reaktion der Beleidigten kommt es nicht an, sie muss sich nicht zeitlich unmittelbar getroffen zeigen. Auch die Gesamtumstände der Weihnachtsfeier ändern nichts an der Bewertung. Selbst wenn dort Alkohol konsumiert wurde und eine gelöste Stimmung herrschte, macht dies die Äußerung des Klägers nicht weniger schlimm.
Die fristlose Kündigung war sozial gerechtfertigt, da auch die Interessenabwägung kurze Betriebszugehörigkeit, keine Reue, keine Entschuldigung kein anderes Ergebnis gerechtfertigt hätte.
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