Außenwirtschaft

Viertes Spitzengespräch Brexit

Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
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Boris Behringer

Hauptgeschäftsführer
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)

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Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin appelliert an die Unternehmen, sich auf den Ernstfall vorzubereiten.

Führende Vertreterinnen und Vertreter der baden-württembergischen Kammern und Wirtschaftsverbände kamen am 7. Oktober 2019 im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau zum vierten Brexit-Spitzengespräch zusammen. Die Interessen der Mitgliedsunternehmen von grosshandel-bw vertrat Vizepräsident Till Blässinger. Der britische Generalkonsul Simon Kendall nahm ebenfalls an dem Treffen teil. Ministerialdirektor Michael Kleiner, der die kurzfristig verhinderte Wirtschafts- und Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut vertrat, und Generalkonsul Kendall bekannten sich dabei ausdrücklich zu den guten wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und dem Vereinigten Königreich.

„Die Lage ist ernst. Auch rund drei Wochen vor dem voraussichtlichen Austrittsdatum am 31. Oktober ist der Ausgang des Brexit-Prozesses weiter ungewiss. Das neue Angebot von Seiten der britischen Regierung gilt es ernsthaft zu prüfen. Diese Woche muss hier eine Entscheidung fallen. Angesichts des noch immer drohenden harten Brexit appelliere ich nachdrücklich an unsere Unternehmen im Land, sich auf den Ernstfall vorzubereiten“, erklärte Hoffmeister-Kraut anlässlich des Gesprächs. Sie bekräftigte auch ihre Forderung nach einer baldigen Entscheidung und einem Ende der fortwährenden Planungsunsicherheit. Hoffmeister-Kraut setzt sich für weiterhin gute Beziehungen ein: „Wir befinden uns derzeit in stürmischer See. Die politischen Wellen werden immer schäumender. Trotz allem: Wir wollen Kurs halten: Großbritannien ist ein wichtiger Handelspartner für Baden-Württemberg. Die Beziehungen sollen auch zukünftig eng und tragfähig bleiben“, so die Ministerin.

Seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 seien die Exporte aus Baden-Württemberg ins Vereinigte Königreich allerdings um rund ein Drittel zurückgegangen. Als einen maßgeblichen Faktor identifizierte Hoffmeister-Kraut die fehlende Planungssicherheit für Unternehmen. „Die mangelnde Planungssicherheit belastet das Geschäft sehr – gerade auch für unsere mittelständischen Unternehmen. Ich hoffe sehr, dass sich die EU und Großbritannien noch auf ein mehrheitsfähiges Abkommen einigen und damit zumindest eine gewisse Schadensbegrenzung betrieben wird.“

Aufgrund der komplizierten politischen Gemengelage in London stuft das Wirtschaftsministerium die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Brexit immer noch als hoch ein. „Die Brexit-Verhandlungen zwischen Brüssel und London verliefen von Anfang an schwierig. Das neue Modell zur Vermeidung einer harten Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland muss intensiv geprüft werden.“

Aktuell begutachten die Brexit-Unterhändler die Vorschläge der britischen Regierung mithilfe von „alternativen Arrangements“ einen Backstop zu vermeiden. Die Pläne sehen dezentrale Grenzkontrollen abseits der irisch-nordirischen Grenze vor. Zudem soll sich Nordirland bis 2025 an die Produktstandards der EU halten. Somit würden mit Ablauf der Übergangsfrist Ende 2020 auch Warenkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien nötig. Erste Reaktionen darauf aus Brüssel und Dublin sind verhalten ausgefallen. Ob vor diesem Hintergrund eine fristgerechte Einigung auf ein neues Abkommen gelingt, ist momentan unklar. Zur Vermeidung eines harten Brexit haben einige Stakeholder auch bereits eine erneute Verlängerung der Verhandlungsperiode ins Spiel gebracht.

Ein ungeregelter Austritt würde die baden-württembergischen Unternehmen viel Zeit und Geld kosten. „Zölle und nicht-tarifäre Hemmnisse würden die Handelsströme noch weiter beeinträchtigen. Just-in-time-Produktion wäre nicht mehr zu bewerkstelligen, sobald britische Akteure in die Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Auch die Entsendung von Mitarbeitern auf die britische Insel würde problematisch“, so die Ministerin. Darüber hinaus würde ein harter Brexit auch viele Betriebe beeinträchtigen, die mit britischen Partnern in hochkomplexen Wertschöpfungsnetzwerken arbeiteten und auf belastbare Forschungs- und Projektpartnerschaften angewiesen seien.

„Unsere baden-württembergische Wirtschaft ist diversifiziert, innovativ und stark genug, dass uns der Brexit gesamtwirtschaftlich nicht aus der Bahn werfen wird. Jedes Unternehmen sollte sich aber individuell auf Kernfragen wie Lieferketten, Zölle und die Gültigkeit von Verträgen vorbereiten“, so Hoffmeister-Kraut. „Für einige Unternehmen könne der Brexit durchaus eine Brisanz entwickeln. Trotz dieser schwierigen Lage möchte ich allen Beteiligten im Land für die gute Zusammenarbeit danken.“ Ihre Bitte gelte den Kammern und Verbänden, ihr Engagement fortzusetzen und ihren Unternehmen weiterhin beratend und unterstützend zur Seite zu stehen. Das Wirtschaftsministerium werde den Brexit-Prozess auch im weiteren Prozess intensiv begleiten und im engen Austausch mit den beteiligten Akteuren bleiben. „Zudem werden wir unserer Wirtschaft weiterhin zur Seite stehen.“ Es sei wichtig, die Entwicklungen nicht nur passiv zu beobachten, sondern aktiv zu unterstützen, die negativen Auswirkungen des Brexit so gering wie möglich zu halten.

Weitere Informationen und hilfreiche Links auch zu externen Unterstützungsangeboten – wie beispielsweise Brexit-Checklisten für Unternehmen – sind auf der Website der Brexit-Kontaktstelle zusammengefasst: www.brexit-bw.de.

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