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Wenn das Wasser bis zum Hals steht – Kurzarbeitergeld trotz Insolvenz

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Sabine Reich

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Aufgrund der Corona-Krise werden manche Unternehmen trotz vorheriger Einführung von Kurzarbeit eine Insolvenz nicht verhindern können. Gibt es dennoch Kurzarbeitergeld?

Viele Unternehmen sind aktuell gezwungen, durch die Einführung von Kurzarbeit Arbeitsplätze und den Bestand des Unternehmens zu sichern. Nicht allen wird es gelingen, dadurch die Insolvenz dauerhaft zu verhindern.

Die Einführung von Kurzarbeit hat den Vorteil, dass das Kurzarbeitergeld zu einer echten finanziellen Entlastung des Unternehmens führt. Denn das Kurzarbeitergeld ist eine staatliche Leistung, die nicht vom Arbeitgeber zurückbezahlt werden muss. Bei wirksamer Kurzarbeitsanordnung hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf ein entsprechend gekürztes Arbeitsentgelt. Die Kompensation dieses teilweisen Arbeitsentgeltsausfalls infolge Kurzarbeit erfolgt durch die Gewährung des Kurzarbeitergeldes. Insoweit erfolgt aber kein vollständiger Ausgleich des ausfallenden Arbeitsentgelts. Der Ausgleich für den Arbeitnehmer erfolgt lediglich teilweise über die Gewährung des Kurzarbeitergeldes. Im Gegensatz dazu sichert das Insolvenzgeld bei Insolvenz des Arbeitgebers den Anspruch des Arbeitnehmers auf im Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich erarbeitetes Arbeitsentgelt grundsätzlich in Höhe des Nettoentgelts, so wie es auch der Arbeitgeber hätte zahlen müssen. Insoweit soll der Arbeitnehmer durch die Insolvenz nicht schlechter gestellt werden.

Anspruch auf Insolvenzgeld haben Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren, und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Dementsprechend kann für das Insolvenzgeld das Arbeitsentgelt nur insoweit zugrunde gelegt werden, als es durch die Insolvenz ausgefallen ist, nicht jedoch, insoweit es durch die Vereinbarung über Kurzarbeit entfallen ist.

Es ist daher von Vorteil für den Arbeitgeber, wenn trotz Insolvenz Kurzarbeitergeld weiter bezogen werden kann.

Auch nach Stellung eines Insolvenzantrages kann Kurzarbeitergeld (allerdings ohne Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge, siehe unten) dann weiter gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld weiter vorliegen. Zu prüfen ist jedoch, ob für die Zahlung von Kurzarbeitergeld eine Neubewertung der Voraussetzung des „vorübergehenden erheblichen Arbeitsausfalls“ erforderlich ist.

Die Bundesagentur für Arbeit hat am 28.04.2020 eine Weisung zum Umgang beim Zusammenfall von Kurzarbeitergeld mit Insolvenzen sowie Insolvenzgeld veröffentlicht.

Die Agenturen prüfen danach beim Zusammenfall von Kurzarbeit und Insolvenz sehr kritisch die Ursachen für den Arbeitsausfall und dessen vorübergehende Natur.

Daher müssen trotz drohender Insolvenz begründete Erwartungen für eine Betriebsfortführung und die Rückkehr zur Vollarbeit bestehen und der Agentur dargelegt werden können.

Dies gilt ebenso, wenn die Kurzarbeit nach Stellung des Insolvenzantrages oder während des Insolvenzeröffnungsverfahrens eingeführt wird.

Auswirkungen der Kurzarbeit auf den Insolvenzgeldzeitraum

Zu beachten ist, dass ein Insolvenzantrag ohne explizite Regelung in der Vereinbarung von Kurzarbeit nicht dazu führt, dass der Betrieb automatisch zur Vollarbeit zurückkehrt. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht bei Kurzarbeit im Insolvenzgeldzeitraum daher ohne ausdrückliche anderslautende Vereinbarung nur in Höhe des verbleibenden Ist-Entgelts. Ein Arbeitsausfall von 100 % führt nicht zur Verschiebung des Insolvenzgeldzeitraumes.

 Wie funktioniert die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes in Insolvenzfällen?

Wenn der Arbeitgeber ausreichend liquide Mittel hat, kann er das Kurzarbeitergeld – wie in der Regel üblich – in Vorleistung an den Arbeitnehmer erbringen. Ein Insolvenzantrag bedeutet ja nicht, dass kein Geld mehr vorhanden ist. Ansonsten wäre die Voraussetzung des nur vorübergehenden Arbeitsausfalls auch schwierig darzustellen, da die Fortführungsprognose zweifelhaft wäre. Die Abrechnung erfolgt analog zu den normalen Fällen der Kurzarbeit ohne Insolvenz.

Wenn keine ausreichenden liquiden Mittel vorhanden sind und der Arbeitgeber oder vorläufige Insolvenzverwalter erklären, dass das Kurzarbeitergeld nach Eingang der Zahlung der BA an die Arbeitnehmer weitergeleitet wird, ist es erforderlich, im Antragsvordruck festzuhalten, dass die Auszahlung alsbald vorgenommen wird. Insolvenzrechtlich stellt dies ein nicht anfechtbares Bargeschäft dar. Nur dann kann Kurzarbeitergeld auch zur Auszahlung kommen.

 Keine Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen ab Insolvenzantrag

Ab dem Abrechnungsmonat, in dem der Insolvenzantrag gestellt wurde, erfolgt jedoch keine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nach § 2 der Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit vom 25.03.2020. Dem Zweck der vorgenannten Verordnung würde eine Erstattung nicht entsprechen, da die bezahlten Sozialversicherungsbeiträge mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten und zur Insolvenzmasse gezogen werden, sodass im Endeffekt der Arbeitgeber keine Beiträge tragen würde.

 Die fachliche Weisung vom 28.04.2020 steht interessierten Mitgliedsfirmen nachfolgend oder im Downloadbereich zur Verfügung.

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